Freitag, 23. Juli 2010

An einem Morgen

An einem Morgen, der nicht ist wie jeder Morgen, weil jeder Morgen anders ist als der vorangegangene Morgen entscheide ich mich, die zu sein, die ich bin.

Entgegen alle die meinen ich habe die zu sein, die sie in mir sehen wollen. Alle machen sich Bilder von uns. Sie machen sich auch Bilder von sich selbst. Eine Welt voller Bilder, individuell interpretierbar. Wir sehen was wir sehen wollen. Was wir nicht sehen wollen sehen wir nicht.
Wie ich sein? Wie Du sein? Immer nur ein Bild haben von alledem. Wer bin ich, die ich entscheide ich selbst zu sein. Ich suche, lange schon. Suchend gehe ich an der Zeit entlang.
Manchmal verliere ich mich, oder ich glaube mich zu verlieren. Aber wie sich verlieren, ohne sich gefunden zu haben?

Ein Freund sagt: Das Leben macht Sinn, solange Du suchst. Wenn Du gefunden hast - was machst Du dann?

Ich will, dass er recht hat, dann ist Suchen der Sinn, in den Momenten wo Sinnlosigkeit sich ausbreitet wie eine schleichende Krankheit. Manchmal bin ich traurig. Es ist in Ordnung, dass ich das auch bin. Sie mögen das Traurige nicht. Es passt nicht in ihr Bild von mir. Sehen sie nicht, dass es viele Farben hat. Immer sehen wir Farben. Ich mag Blau und Rot. Ich male in diesen Farben. Meine Sehnsucht, meine Liebe, meine Trauer, meine Freude. Kühl und warm. Nie ist immer nur eins. Ich bin ich, all das Blau, das Rot ...auch das bin doch ich.
Und schwarz und weiß ... und auch das bin doch ich.

Ein Freund sagt: Du bist immer die Mutter, die Malerin, die Schreiberin, die Geliebte, die die kämpft für andere, für das woran sie glaubt, ja auch das. Alles wirfst du in einen Topf. Egal wo du bist. Ich, so der Freund, bin Vater, Ehemann, Therapeut - aber alles zu seiner Zeit.

Ich antworte: Wie soll ich mich aufspalten, wo ich doch alles bin und immer die, die ich auch bin. Wie soll ich mich aufteilen und warum? Für wen?

Der Freund meint: Weil alles immer zu viel ist. Für die Anderen. Ich bin ich, sage ich. Ein Ganzes von Gedanken, Gefühlen und Handlungen. Authentisch. Es scheint mir das Richtige zu sein. Wie soll ich mich finden, wenn nicht als Ganzes? Wie sein, wenn nicht als Ganzes?
Ich bin viele Ichs.
Mein Freund, frage ich, welches Ich soll ich zu Hause lassen, wie die Kleider, die zurücklasse, weil ich wählen muss an jedem Morgen, an dem ich das Haus verlasse.
Ich bin kein Kleid, das man im Schrank hängen lässt.

Der Freund schweigt.
Ich verstehe Dich nicht.

Manchmal auch das. Nicht den Freund, mich nicht. Auch das bin ich.
Das Nichtverstehen fordert zu Verstehen auf. Nachdenken.

Es ist gut an diesem Morgen, das zu wissen. Auch das.