Montag, 31. Januar 2011

Muss?

Muss alles ein Grund haben?
Muss alles eine Erklärung haben?
Muss alles verstanden werden?
Muss alles durchdacht werden?
Muss alles Bedeutung haben?
Muss alles Folgen haben?
Muss alles Sinn haben?
Muss ich alles wissen?
Muss ich gewinnen?
Muss jede Frage eine Antwort haben?
Muss jedes Gefühl analysiert werden?
Muss ich suchen um zu finden?
Muss ich finden um anzukommen?
Muss ich aufhören um zu beginnen?
Muss ich Eins beenden um ein Anderes zu leben?
Muss ich?
.........................................................................Nein?
.........................................................................Nein!

Sonntag, 30. Januar 2011

Tatort



Lena hat ein Bild gemalt. Interessiert keinen. Etwas gegessen. Essen ist gut, macht warm innen. Kurz. Dann wieder kalt. Lena guckt Nachrichten. Wird viel gestorben in den Nachrichten. Im Krieg.Im Auto. In der U-Bahn Station. Vor Hunger. Auch Kinder sterben. Viele Kinder sterben vor Hunger. Lena ist satt. Im Bauch. Im Kopf verhungert. Lena guckt Tatort. Sonntag und Tatort. Da wird gestorben. Alle sterben. Lena wird auch sterben. Lena hat keine Angst. Guckt Lena Odental an. Die wird auch einmal sterben. Lena liegt auf dem Sofa. Müde vom Rotwein. Warm innen. Denkt an nichts. Guckt nur. Gucken und nichts denken ist gut. Besser als denken und gucken. Guckt die Leiche im Tatort an. Leiche gucken und an den Tod denken. Ein Mädchen ist tot. Die Eltern müssen ins Leichenschauhaus um sich das tote Mädchen anzuschauen. Die Mutter sagt, das ist nicht meine Tochter. Die Mutter will nicht, dass ihre Tochter tot ist. Sie schreit. Lena will auch schreien. Will mit der Mutter schreien. Lena ist zu müde zum schreien.Trinkt noch einen Wein. Schaltet die Glotze aus. Geht ins Bad und lässt Wasser in die Wanne laufen. Zieht sich aus. Steigt in die Wanne. Das Wasser ist warm. Lena nimmt den Föhn vom Regal über der Wanne. Schaltet ihn an. Der Fön ist warm. Warm ist gut. Lässt den Föhn ins Wasser fallen. Warm ist es beim Sterben.

Samstag, 29. Januar 2011

Portrait of the Artist Cyrus Overbeck




Längst hat er als Maler die museale Akzeptanz erreicht. Seine Werke hängen in Kunsthallen in Düsseldorf, Köln, München und Washington. Er lebt und arbeitet in New York, Duisburg und dem kleinen Ort Esens in Ostfriesland. Seit einigen Tagen hat Cyrus Overbeck in der Adam Karillon Straße 4 im Weingut Landenberger nun sein Mainzer Atelier bezogen. Gedacht war es als vorübergehende Station. Doch schon ist es anders. Er will bleiben. „Ich habe noch nie eine liebenswertere Stadt erlebt, in der die Menschen so schnell so offen sind“, sagt Overbeck über seine neue Dependance in der Welt. Cyrus Overbeck ist einer der großen zeitgenössischen Realisten.

Seit seinem vierzehnten Lebensjahr malt der Sohn einer Deutschen und eines Persers. „Nie wollte ich etwas anderes sein als ein Maler. Malen, das bin ich. Erst kommt die Malerei, dann der Nachklang der Malerei, dann die Literatur“, sagt der temperamentvolle 40jährige. Die leuchtenden Augen im runden Gesicht, das von langen schwarzen Locken umrahmt ist, strahlen mit einer Herzlichkeit, der man sich nicht entziehen kann. Die Welt dieses malenden Philosophen ist offen und weit, voll von Gedanken und Sehnsüchten, die sich auf den Tableaus seiner expressiven großformatigen Ölgemälde, in zarten poetischen Radierungen und meisterhaft in Holz geschnitten, auf eine seltsam andere Weise wieder finden, als in seiner hedonistischen Haltung dem Leben gegenüber. Ambivalenz, dieser Gedanke stellt sich ein, eine hochvibrierende Schwingung zwischen überbordender Lebensfreude und einer tiefen Traurigkeit schwankend, wird spürbar. Beides lebt auf den Leinwänden im Atelier, formiert sich zu Kompositionen, deren Energie auf den Betrachter überschwappt, ihn in den Bann zieht und ihn dort abholt, wo der Mensch steht, gefangen in der Komplexität seines „In die Welt Geworfen Seins“, auf der Suche nach dem, was Leben ist und sein kann.

„Ich bin ein Erzähler auf der Leinwand, dessen Helden scheitern, um aufzustehen, um wieder zu scheitern“, beschreibt Overbeck sein künstlerisches Schaffen. Es sind die Brüche, die ihn zu immer neuen Kompositionen herausfordern, die Tragik des Lebens, die Wunden, die es schlägt und ihr Umgang damit. An der Wand lehnt ein Bild, das einen Soldaten zeigt, schreiend vor Schmerz, im Hintergrund ein pinkfarbenes Blütenmeer. Alles ist eins, kommt einem in den Sinn, wo das eine ist, ist immer auch die Möglichkeit des Anderen, die Angst und die Liebe, der Schmerz und die Freude, das Gute und Böse. Das Leben auf Overbecks Leinwänden - eine Kippfigur.

Overbeck serviert schweren Rotwein, trinkt, raucht, denkt laut, formuliert geistreich, ohne Unterlass. „Die Bilder sind immer im Kopf, es ist ein Dauerstress, ich bin permanent überfordert, ich kann ja nicht zehn Bilder auf einmal malen. Ich bin ein Getriebener, menschenhungrig, ich sauge sie aus“, resümiert er. „Wenn du keine Brüche hast, bist du für mich langweilig, ich brauche das, was unter der Oberfläche ist, das möchte ich sichtbar machen in der Physiognomie, Impulse geben, die der Rezipient weiter denken soll. Wir leben in einer Zeit der Orientierungslosigkeit. Wir erleben gerade einen unheimlichen Verfall, wir haben ein neues Fin de siécle. Das fängt mit dem Mangel an kultureller Bildung an. Wir brauchen Philosophen und Querköpfe, die in die Gesellschaft eingreifen“, sprudelt es aus ihm heraus. „Wir haben nach 1945 keine andere Wirtschaftsethik und keinen neuen Humanismus in die Gesellschaft hineintragen können.“

Über 20 Jahre hat Overbeck Kreuzigungen, Erschießungen und Hinrichtungen gemalt, sich mit dem Leiden identifiziert. Es sind die Opfer, denen er sich verbunden fühlt, eine Thematik der er mit Ratlosigkeit gegenübersteht, selbst immer zwischen barocker Verschwendungssucht und Verarmungswahn schwankend. „Essen ist wichtig“, sagt er lächelnd, „Geborgenheit und Liebe. Ich sehne mich danach verstanden zu werden.“ Overbeck ist ein malend Suchender, hoch sensibel, mit einer berührenden Empathie im wilden Herzen, dem es schwer fällt allein zu sein. Und doch muss es sein, wenn er malt. „Schon der Atem eines anderen im Raum stört mich dann“, sagt er und dass er die Nacht zum Tag macht, weil er nur in ihr die Stille findet, die das Laute in seiner ruhelosen Seele zum Schweigen bringt. Cyrus Overbeck ist ein Nomade, der immer wieder neue Orte sucht, in der Hoffnung anzukommen, getragen von der Sehnsucht Antworten auf seine Ratlosigkeit zu finden.

Gedanken zur Lüge ...


Die Reizüberflutung spült das Menschliche fort. Das Haben wollen hat das Sein verdrängt, die Egomanie wächst wie eine Kletterpflanze und überwuchert den Keim eines Bewusstseins, das sich Werten verbunden fühlt. Lügen sind das Mittel der Wahl, um die eigenen Ziele zu verfolgen. Es wird viel gelogen und es ist schwer die Lügen von der Wahrheit zu trennen. Ich kann sie nicht mehr unterscheiden. Sie sagen ich und meinen sich, in einer erschreckenden Ausschließlichkeit, ohne sich wirklich auf den Anderen zu beziehen. Das Wir ist nur eine Ausweitung dieses Ichs, ein Mittel zum Zweck der Selbstbefriedigung.

Es wird scheitern, dieses Deutschland. Die Krise ist die Folge eines schleichenden Prozesses, der schon vor langer Zeit seine Entwicklung begonnen hat. Wir haben vergessen wer wir sind. Das Fernsehen hat es uns ausgetrieben, das Internet hat uns verschlungen mit der Überfülle nutzloser Informationen. Alles ist zuviel geworden. Es wird weniger werden, der Prozess des Ausgleichens ist angelaufen und lässt sich nicht mehr stoppen.

Ich spüre die Angst, wenn ich raus gehe. Ich spüre sie im Bus, auf der Strasse, im Büro, beim Einkaufen im Supermarkt. Sie tritt mir in Gestalt einer Lähmung gegenüber, in unsicherem Handeln, in der Zurückhaltung vor Investitionen, die nicht unmittelbar notwendig sind. Keiner weiß wohin und alle streben im beschleunigten Rhythmus ohne zu wissen wonach. Das Leben ein Rausch, voll gepumpt mit Reizwirkung.

Der Einzelne, ein winziger Auswuchs der Masse gieriger Sucher, die blind sind für das, was sie bereits haben, die die langweiligen Augenblicke mit Widerwillen ertragen, sie schnell vertreiben oder gar nicht erst entstehen lassen wollen, weil wir uns dann mit uns selbst konfrontiert sehen könnten. Und was sehen wir dann?


Übertreibe ich, dramatisiere ich? Bin ich ein Gott verdammter Moralist, ich, die ich nicht einmal das Recht dazu habe? Wo bleibt mein Humor, der meine Ernsthaftigkeit aufzuhellen vermag. Das Leben ist absurd, ich habe nie etwas anderes geglaubt. Die Wippe zwischen Wunsch und Realität ist nie in der Balance. Das Leben ist eine Kippfigur.

Mittwoch, 26. Januar 2011

geht

vertrauen, zu viel vertrauen, immer wieder vertrauen, nicht mehr vertrauen, besser nicht mehr vertrauen ................................................................
sich selbst vertrauen ......... SELBSTVERTRAUEN ....................
geht.

geht nicht II

sehen, zu viel sehen, nichts sehen...besser nichts sehen
hören, zu viel hören, besser nichts hören ...
beides geht nicht.

geht nicht I

denken, zu viel denken, nichts denken ... besser nichts denken ....
fühlen, zu viel fühlen, nicht fühlen ...besser nichts fühlen ........
beides geht nicht .........

Fremdgesteuert

Verletzungen heilen nicht, indem man sie sich bewusst macht. Wie ein Computerprogramm, das auf der Festplatte gespeichert ist sitzen sie in unseren Gehirnen, schieben wir sie in den Papierkorb, sind sie trotzdem da. Erfahrungen sind nicht löschbar, die gefühlte Erinnerung sitzt fest verankert im Limbischen System unseres Gehirns. Auf diese Weise fremd gesteuert versuchen wir durch immer neue Wiederholungen das Erfahrene wieder zu erleben in der Hoffnung auf einen besseren Verlauf und auf ein gutes Ende. Wir sind nicht frei, solange wir nicht frei sind vom ersten Menschen, der uns verletzt hat. Innere Freiheit ist eine Illsuion.


Herbst draußen. Tom merkt es daran, dass es jetzt früh noch dunkel ist. Dunkel einschlafen und dunkel aufwachen. Herbst eben. Keine Lust aufzustehen. Liegenbleiben geht nicht. Tom muss arbeiten. Hat eine Lehrstelle. Glück gehabt, sagt der Vater. Die Mutter sagt nichts, kann nichts sagen. Die Mutter ist tot. Hat nicht lange gelebt. Tom war acht.


Der Vater, arbeitslos, muss nicht aufstehen. Liegt im Bett. Schnarcht. Im Schlafzimmer wabert Alkoholgeruch. Stinkt. Der Vater trinkt. Tom sagt das keinem. Weiß es und sagt nix. Wem auch. Interessiert keinen. Die Mutter auch nicht. Ist ja tot. Besser der Vater wäre tot, denkt Tom. Hat ihn aber keiner gefragt.


Tom geht ins Bad. Zähneputzen. Duschen, Glatze waschen. Haare ab. Gut so. Wozu braucht einer Haare. Spart Zeit. Glatze muss man nicht stylen. Spart Gel. Sieht scheiße aus. Hat der Vater gesagt. Du bist scheiße. Hat Tom gedacht und nichts gesagt. Würde es gern sagen. Der Vater schlägt Tom, wenn er Müll labert. Tom schlägt andere. Kriegen eins in die Fresse, wenn sie das Maul aufmachen und Müll labern. Tom hat keine Angst. Vor nichts mehr. Schon lange nicht mehr. Alles egal.


Tom geht in die Küche, macht sich ein Müsli. Keine Milch da. Der Vater kauft Schnaps. Passt aber nicht ins Müsli. Tom gießt Wasser drauf. Pampe mit Wasser. Macht satt. Schmeckt nicht. Egal. Alles egal. Tom zieht die Jacke an, die Mütze auf den Kopf. Geht zur U–Bahn. Immer noch dunkel. Verfickte Dunkelheit. Nervt. Da hat Tom keinen Bock drauf. Auch nicht auf die Arbeit. Null Bock auf nix. Kauft Kippen am Kiosk. Steckt sich eine an. Geht zum Gleis. Raucht.


Kommt der Mann. Kommt direkt auf Tom zu. Glotzt. Reißt das Maul auf: „Hey du, rauchen ist hier verboten.“ Tom dreht dem Mann den Rücken zu. Will in Ruhe rauchen. Der Mann baut sich vor ihm auf, schreit: „Hörst du nicht was ich sage?“ Tom hört was der Mann sagt. Tom will in Ruhe rauchen. Der Mann schreit weiter: „Verdammt schau mich an, wenn ich mit dir rede, du Glatzenheini!“


Tom dreht sich um, schaut den Mann an. Der hat das Maul noch weiter aufgerissen. Schreit immer noch. "Solche wie du gehören ins Lager." Der Mann soll die Fresse halten. Tom haut ihm mitten rein in die Fresse. Der Mann fällt. Tom tritt ihm in die Fresse. Der Mann schreit. Anders jetzt. Tom tritt in den Mann rein. Bückt sich. Haut ihm in weiter die Fresse. Steht auf. Tritt dem Mann in den Bauch. Tritt ihm in die Eier. Draufschlagen ist gut. Drauf treten ist besser. Der Mann schreit nicht mehr. Tom steckt sich eine Kippe an. Raucht in Ruhe.


©Angelika Wende

Samstag, 22. Januar 2011

reden ist silber: Einsam ....

reden ist silber: Einsam ....: "Ich sah sie an, meinen Blick auf ihr Gesicht geheftet, ihren ängstlichen Blick in den meinen verschränkend. Sie wollte es sagen, sie tat es ..."

Einsam ....

Ich sah sie an, meinen Blick auf ihr Gesicht geheftet, ihren ängstlichen Blick in den meinen verschränkend. Sie wollte es sagen, sie tat es nicht, quälte sich mit einem Unausprechbaren. Sie nahm einen Schluck Kaffee, nicht ohne zuvor wieder und wieder den Milchschaum mit dem Löffel verrührt zu haben. "Ich bin einsam". Ich sprach es aus, für uns beide.

Sie hielt die Tasse vor ihre Brust wie ein zu kleines Schild vor der Rüstung, die sie trug, die längst Risse bekommen hatte. " Einsam", sagte ich noch einmal. "Allein es auszusprechen dieses Wort, das wir wie ein Unwort behandeln trennt mich von den Menschen." Sie lächelte, bereit den Widerstand aufzugeben. Er wog schwer, das Lächeln leicht. Ich lächelte zurück.

"Ich frage mich warum, wo doch so viele einsam sind und immer mehr", sagte ich. "Man darf es sein", antwortete sie mit leiser Stimme wie ein schüchternes Mädchen, einer Stimme, die es zart machte das Gesicht der Frau in meinem Alter, "aber man darf es nicht aussprechen."

"Vielleicht ist es so, weil das Aussprechen, dessen was ist, es deutlich macht, so deutlich, dass wir es anschauen müssen. Wer mag schon das Unschöne anschauen, auch wenn es nur ein Spiegel ist, indem sich das Eigene reflektiert".

Du bist eben mutig, sagte sie. "Ich bin nicht mutig", sagte ich, nur weil ich nicht aufhöre in den Spiegel meiner zerrissenen Innerlichkeit zu blicken. Auch wenn die, die das bemerken, und es nicht als Angriff auf ihr Seelenheil begreifen, mir das sagen. Ich bin nicht mutig, ich bin es nur müde geworden wegzuschauen, denn auch das kostet Kraft, die ich nicht mehr habe."

Sie sah mich an, sich wieder in die Rüstung zurückziehend. "Es macht mir aber Angst, mich anzuschauen, das ist nicht gut." "Wer sagt das?", fragte ich sie. "Alle sagen das." Sie schüttelte den Kopf, als wolle sie Alle vertreiben. "Und was meinst Du?", wollte ich wissen. "Ich weiß es nicht". Wieder rührte sie in ihrem Kaffee, als ließe sich darin etwas versenken, was längst an der Oberfläche klebte.

"Ich habe mich daran gewöhnt, an den Widerschein der einsamen Frau, die mich an jedem Morgen anblickt, an jedem Abend und in all den anderen Momenten, in denen ich in den Spiegel schaue. Ich sage zu mir selbst: Ich weiß, das bist du auch, Moira, da drinnen bist du das auch , neben all dem anderen was du bist, und ich erkenne dich, weil ich dich erkannt habe, so gut es mir gelungen ist, in fast fünf Jahrzehnten Leben."

"Du sprichst mir dir selbst?". Sie lächelte wieder, erstaunt und nicht mehr zart. " Wir haben eine Beziehung, ich und ich. In einer guten Beziehung spricht man miteinander", sagte ich. "Ja, es ist vielleicht gut zu sprechen", kam zurück und mit diesem Ja, vielleicht ein Nein, das sich aufbäumte gegen das kleine Ja, vielleicht. Ganz groß war es, dieses Nein. So groß, dass ich es aufgab ihre meine Einsamkeit erklären zu wollen, die mit der ihren nicht zu vergleichen war.

Freitag, 21. Januar 2011

Ich weiß ...........

Es ist die Dummheit, die grenzenlose Dummheit, die mich schmerzt, sagte die Frau zu dem Mann, den sie nicht kannte. Der Mann schwieg, nickte mit dem Kopf.

Es ist dieses Gewahrsein, das sich in mir ausbreitet wie eine schleichende Krankheit, dass nichts sich ändern wird. Sie lächelte bitter. Sie hatte nicht bitter werden wollen, auch nicht für Augenblicke, immer hatte sie Bitterkeit in Gesichtern gehasst. Diese nach unten gezogenen Mundwinkel der Enttäuschung, die die Jahre eingraben und nicht mehr rückgängig machen, Massenspuren im grauen Gesichtergemisch.

Der Mann blieb still. Abwartend. Sie sehen das Wesentliche nicht, sagte die Frau, weil sie nur sich selbst sehen, sich selbst in dem Mikrokosmos, den sie ihr eigen nennen. Diese eigene Befindlichkeit, die nicht hinüberreicht zu einem anderen, auch nicht zu dem, was größer ist als sie selbst. Es schmerzt mich, sagte die Frau und dass sie nicht wisse, ob sie ein Misanthrop werde, oder noch etwas wie Liebe für die Menschen empfinden sollte.

Das Kleine ist ihnen wichtig und dass sie Zerstreung finden im Banalen. Manchen reicht nicht einmal das, dann ist es der Exzess. Es war immer so, also warum etwas erwarten. Wie sinnlos es ist, dieses Erwarten, dessen was nie war und nie sein wird.
Die Frau weinte, weil sie das Weinen nicht verlernt hatte.

Der Mann schwieg weiter. Ohne Worte malten sich Gedanken auf seiner Stirn. Die Frau, fähig zu lesen, verstand seine Wortlosigkeit. Er kannte das Gefühl des Enttäuschten. In diesem Moment waren sie eins ohne es bleiben zu müssen.

Es ist die Gier, sagte die Frau, die Gier ist die schlimmste der Todsünden. Sie sind ihr verfallen. Einem Haben wollen, das den Verlust bereits in sich trägt. Wissen sie nicht, dass sie nichts mitnehmen können, was mit Geld bezahlt wurde. Sie wunderte sich, dass sie es nicht wussten, nicht einmal es zu denken fähig waren. Der Mann nickte wieder. Und es ist der Neid des nicht Verstehens dessen, was mehr erfordert als das Banale - dieses "so hat Leben zu sein." Die Gier und der Neid auf die anderen, die anders sind, wiederholte die Frau. Sie senkte die Lider, tränenverklebt.

Der Mann sah sie lange an, dann nahm er ihre Hände und legte sie auf sein Herz.
Ich weiß, sagte er, ich weiß wie es schmerzt.

Donnerstag, 20. Januar 2011

Ich und ich

Die Vorstellung, dass wir viele Ichs haben sollte mich beunruhigen.

Sie tut es nicht.

Da ich es von mir selbst schon lange weiß, habe ich mich damit abgefunden.

Ich weiß darin liegen viele Möglichkeiten, auch die von Zerrissenheit.

All diese Ichs sind wie Splitter eines zerborstenen Spiegels.

Es ist nicht möglich ihn zu einer Ganzheit zu bringen.

Wir haben nicht nur ein einziges Leben, wir haben viele, unzählige Ebenen und Unterebenen und die Metaebene, die versucht die Balance zu halten.

Es ist eine künstliche Ganzheit, die wir zu schaffen versuchen und die Sinnlosigkeit dieses Unterfangens rechtfertigt sich allein durch den Anspruch an Stabilität und Klarheit.

Die vielschichtigen Ebenen sind der Grund dafür, dass es die eine Wahrheit nicht in gibt, nicht in der Welt und nicht in uns.

Das Wissen darum macht es mir nicht leichter, macht es nicht leichter zu vertrauen.

Vielleicht ist das der tiefere Grund, weshalb mir Vertrauen schwer fällt.

Mittwoch, 19. Januar 2011

Wirklichkeiten ...



Real Irreal Surreal

Eine subjektive Reflexion



Der Schweizer Schriftsteller Etienne Barilier gab in den Neunzigern ein Buch heraus mit dem Titel „Die künstliche Geliebte“. Der Protagonist, ein junger Mann, sehnt sich nach der einen wahren Liebe in Gestalt der idealen Geliebten, die die Welt mit all ihren Erscheinungen durch und mit seinen Augen sieht, die das Gleiche wie er fühlt und denkt. Nachdem er diese Sehnsucht in der Realität mit keiner Frau stillen kann erschafft er sich eine künstliche Geliebte nach seinem Ebenbild. Mit der Zeit jedoch entwickelt die künstliche Frau ein Eigenleben. Sie beginnt ihre eigene Wirklichkeit wahrzunehmen und zu erschaffen. Der junge Mann zerbricht an der Erkenntnis, dass nicht einmal das von ihm selbst erschaffene Wesen ein identischer Teil seines „in der Welt seins“ ist. Die Geschichte endet in abgrundtiefer Verzweiflung und schließlich in Zerstörung.

„Der Glaube, es gäbe nur eine Wirklichkeit ist die gefährlichste aller Selbsttäuschungen. Es gibt sie nicht, diese eine Wirklichkeit, es gibt vielmehr zahllose Wirklichkeiten, die sehr widersprüchlich sein können, die alle das Ergebnis von Kommunikation und nicht der Widerschein ewiger objektiver Wahrheiten sind“, schreibt der Philosoph und Psychoanalytiker Paul Watzlawick in seinem Werk „Wie wirklich ist die Wirklichkeit?“. Er kommt zu dem Schluss, das der Glaube, dass die eigene Sicht der Wirklichkeit die Wirklichkeit schlechthin bedeute eine gefährliche Wahnidee sei, eine Anmaßung, ja gar die „think crime“ der menschlichen Existenz.

Ist es möglich, ist dieses "Gedankenverbrechen" der Urgrund für das Leiden in der Welt?
Ist es unsere subjektive Sicht, die uns leiden macht, die Unfähigkeit der Akzeptanz der Dinge, wie sie sind. Aber was, wenn die Dinge nicht sind, was sie sind, es niemals sein können, wenn es dieses objektiv Seiende nicht gibt, wenn das Seiende eine nichtfassbare Größe ist, wenn jedes Ding nur der Widerschein dessen ist, was sich in uns spiegelt und wir uns wiederum in ihm? Dann gibt es nur subjektive Annahmen und keine Wirklichkeit. Dann gibt es kein Richtig und kein Falsch, dann gibt es das Individuum in seinem Hineingeworfensein in die Welt, den Schmerz des Getrenntseins und die ewige Suche nach Wahrheit. Eine Suche, die mit der Frage beginnen könnte: Was ist Realität? Was ist real und damit in unseren Augen wahr? Ist Wirklichkeit, wie Watzlawick behauptet, etwas individuell Konstruiertes oder ist sie eine messbare, bestimmbare, überprüfbare, beweisbare, allgemeingültig existierende verbindliche Größe? Ist Wahrheit, wie Heidegger sagt, niemals an sich, von selbst vorhanden und als solche entzifferbar, sondern erstritten?

War die Vorstellung von Wirklichkeit früher so konzipiert, dass man, ob ihrer Härte, dagegen stieß so ist sie heute mehr und mehr ein fließendes, zerfließendes Gebilde, das sich in Frage stellt sobald wir Fragen stellen, schon weil wir selbst in Frage gestellt werden, sobald wir realisieren. Die reale Welt und das reale Ich, von dem wir längst wissen, dass auch dieses aus vielen Ichs besteht, erweist sich als subjektiv interpretatives Substrat aus dem wogenden Meer der Möglichkeiten, welches der Mensch selbst herausfischt.

Die Dinge sind abhängig vom Auge des Betrachters.
Niemals nehmen wir an den Erscheinungen, zu deren Bildung unsere Sinne angeregt werden, Wirklichkeit wahr. Sobald zu den Erscheinungen der Gedanke oder das Gefühl tritt kommt eine neue Tönung hinzu. Die Sinne können uns die Wirklichkeit nicht geben, sondern umgekehrt ist sie etwas, das wir den Sinnen geben. Wirklichkeit ist eine Beziehung des Geistes zum Geheimnis des Seins. Doch ist durch die reine Sichtbarkeit des Inhalts der Wirklichkeitsakzent noch nicht gegeben, sondern die sich einstellenden Affekte, die durch die sichtbare Qualität der Dinge ausgelöst werden schaffen unsere Realität.
Schon Kant postulierte, dass alles, was wir über unsere Sinne empfangen, durch unser Nervensystem gefiltert wird. Dort wird es neu zusammengesetzt und liefert uns ein Bild, das wir Realität nennen. Der Mensch modelliert sich seine Welt danach, was seine Sinne und sein Bewusstsein ihm an Begreifen erlauben. Was er nicht fühlen, schmecken, hören, riechen und sehen kann, nimmt er nicht wahr. Es kommt in seiner Welt nicht vor. Selbst das Abstrakte muss als Zeichen begriffen werden, um es in die eigene Welt zu integrieren. Unsere individuelle Welt ist niemals die Welt, wie sie an sich ist.

Alles Schimäre, weiter nichts, eine bloße Vorstellung von objektiver Realität, eine Fiktion, die von unserem in Begriffen und Kategorien denkenden Verstand herrührt? 

In der Tat sind sogar Ursache und Wirkung, Raum und Zeit Konzeptualisierungen, Gefühlskonstrukte, die zu Gedanken und Handlungen werden und keine Gebilde die es „da draußen“ gibt. Der Mensch ist nicht fähig über die von ihm selbst erarbeitete Version einer Realität hinauszublicken und zu sehen was wirklich ist. Wir können sie nicht erfassen, die Wesenheit der Dinge, die vor der Reproduktion durch unseren Wahrnehmungsfilter und unseren Verstand existiert. Das ursprüngliche Gebilde, das Kant als Ding bezeichnete, bleibt uns auf ewig unerkannt. Es war Schopenhauer, der zustimmte, dass wir das „Ding an sich“ nie erkennen können, aber erweiternd hinzufügte, dass eine entscheidende Quelle über die Informationen wahrgenommen werden, der menschliche Körper ist. Der Körper als materielles Objekt existiert in Zeit und Raum. Der Körper besitzt ein tiefes inneres Wissen, ein Wissen, das nicht auf einem verstandesmäßigen Begriffssystem und auch nicht auf dem Wahrnehmungssystem basiert – sondern allein von den Gefühlen herrührt. Schopenhauer war seiner Zeit voraus mit der Annahme, dass es zwei Arten von Wissen gibt, ein gefühlsmäßiges, instinktives und ein verstandesmäßiges, begriffliches Wissen. Er wusste, dass dieses gefühlte Wissen weitaus elementarer ist als das begriffliche. Lange vor Sigmund Freud wusste er um die Existenz der unbewussten Kräfte in der psychischen Struktur, um das verdrängte Unterbewusste, das nicht ins Bewusstsein einbricht. Und er war der Ansicht, dass im Bereich künstlerischen Produzierens die unbewussten Antriebe primärer sind als die bewussten: "...Obgleich sie nicht in Begriffe gefasst werden können, vermitteln sie sich direkt und ohne Worte, sie kommunizieren sich auf dem Wege der Kunst.“ 
Der Gewinn: Das Abenteuer Wirklichkeit.

In diesem Raum gibt es keine unmögliche Objektivität, sondern eine reine Produktion von Subjektivität. Dies entspricht auf der psychologischen Ebene einem Prozess der Subjektivierung, der Selbstfindung, in dem das Subjekt Kontrolle über sich zu erlangen versucht. Es ist so Subjekt der Selbstkonzeption, der Freiheit und der emanzipatorischen Selbsterhebung. Jedoch erfährt es sich in diesen affektiven Turbulenzen selbst in Konfliktspannung. Denn als Subjekt der Selbsterfindung und Selbsterhebung beginnt es sich inmitten des Chaos eines historischen, politischen und kulturellen Zusammenhangs aufzurichten. Es beginnt zu rebellieren gegen das, was aus ihm ein Produkt fremder Willens- und Wahrheitsbegriffe macht.

Die Selbstaufrichtung des Subjekts ist ein Widerstand gegen die Herrschaft der allgemeingültigen Realitätsdefinitionen. Es wehrt sich gegen die Dingwerdung oder Verdinglichung seines Seins durch die Bewegungen, die Sinn- und Wertstiftungen der Geschichte, mit dem Ziel sich von dieser Geschichte lösen ohne den allgemeinen Geschichtsraum, dem es angehört, verlassen zu können, aber um der eigenen inneren Wahrheit Ausdruck zu verleihen, ihr zu folgen und sich als Mensch zu individuieren. Was Foucault Subjektivierung nennt zielt auf dieses Werden, das sich Selbstwerden, das Subjektwerden, die Autokonstitution des Individuellen – die Authentizität der Persona. Die innere Wahrheit als Maßstab.

Sein und Schein im Dialog um das Seiende zu hinterfragen. Was scheint wie es ist und was ist nicht wie es scheint? Was ist wirklich?

Wir „hören“ was wir glauben und „sehen“ wozu wir Resonanz haben. Was ist Leben, was ist es anderes als das Wahrnehmen der Dinge, welche vom Außen ins Innere sich drängen, um durch den Filter Körper, Geist, Seele Ausdruck im eigenen Sein in der Welt zu finden? Was ist Leben anderes als ein Meer von Möglichkeiten aus dem wir das für uns Stimmige herausfischen - um was zu gewinnen?Halt? Woran sich halten, wenn wir nicht wissen was wahr ist und was nicht? An uns selbst auf dem Weg einer authentischen Selbstverwirklichung? Eine Möglichkeit ...

Ich frage mich ob es etwas was Zeichen gibt und wenn es sie gibt, wie kann ich mir sicher sein, dass ich sie richtig deute? Ist es möglich, dass ich aufgrund der Zeichen konstruiere und aus mir selbst heraus eine Realität erschaffe, die nicht wahr ist. Was ist Wahrheit? Gibt es sie außerhalb des wissenschaftlich Beweisbaren? Ist sie, was die Gefühlswelt angeht nicht überprüfbar, niemals? Was, wenn jede einzelne individuelle Wahrheit wahr ist – was dann? Was kann ich glauben? Was ist real?

Aber vielleicht ist das gar nicht die Frage. Die Frage ist möglicherweise: was ist wirklich von Bedeutung?

Weiter träumen

Manchmal gehe ich in der Mittagspause in das kleine Cafe um die Ecke. Eigentlich nicht so sehr um etwas zu essen, sondern, weil ich weiß, dass sie das ist. Jeden Tag um die gleiche Zeit sitzt sie am gleichen Tisch, abseits von den anderen Menschen. Vor sich ein Essen und einen Kaffee. Auf dem Stuhl neben ihr liegt der vom Vergehen der Zeit abgenutzte Beutel aus gewobenem Teppich. Er ist alt wie sie. Irgendwann hat sie mir erzählt sie sei achtzig Jahre alt. Man sieht es in ihrem Gesicht, das aussieht wie das faltige Antlitz einer Porzellanpuppe mit traurigen wässrigblauen Augen.

Sie rührt mich an, berührt etwas in mir, was ich nicht benennen kann. Vielleicht ist es diese Traurigkeit, geboren aus einem schweren Verlust, die sich zu der meinen legt, oder es ist die Vorstellung ihr zu gleichen irgendwann, dann.

Ich weiß, dass sie sich freut, wenn ich komme. Nicht, dass sie es sagt, sie sagt wenig, was in irgendeiner Weise mit Gefühlen zu tun hat. Aber ich sehe ihre Freude am kurzen Aufblitzen eines Lächelns, das ihre herunterhängenden Mundwinkel für einen Augenblick nach oben zieht. Dann ist sie schön für diesen kleinen Augenblick und das gefällt mir.

Einmal als ich sie traf, sie sah mich nicht gleich beim Hereinkommen, war es schon da, dieses Lächeln. Über einen Brief gebeugt schien es den Augenblick zu überstehen. Als sie mich bemerkte, begrüßte sie mich und faltete mit ihren schmalen, von Altersflecken und feinen Rissen überzogenen Händen den Brief zusammen um ihn in ihrem Beutel verschwinden zu lassen. Für einem Moment dachte ich, sie gestört zu haben und sprach das Gefühl aus. Nein, ich habe sie nicht gestört sagte sie, den Blick nicht auf mich, sondern auf den im Beutel versunkenen Brief gerichtet.

Eine ganze Weile sah sie mich schweigend lächelnd an. Dann schüttelte sie den Kopf mit den weißen Locken und es brach aus ihr heraus: "Sie werden mich für eine verrückte alte Frau halten, aber ich habe einen Liebesbrief geschrieben." Ich hätte sie aus lauter Rührung am Liebsten in den Arm genommen, tat es aber nicht und fragte sie: "An wen?" " Ich bin verliebt", antwortete sie. "Er weiß es aber nicht. Ich habe ihm diesen Brief geschrieben. Und wissen sie was, ich werde ihn nicht abschicken."

"Aber warum denn nicht?" fragte ich sie. "Ach, Mädchen", ihr Gesicht zeigte plötzlich wieder diese tiefe Traurigkeit: "Wenn ich den Brief abschicke wird alles anders." "Was wird anders?", fragte ich sie. "Nun, er könnte es lächerlich finden, oder er könnte mir zurückschreiben."" Das wäre doch schön, wenn er ihre Gefühle erwidert", sagte ich. "Sehen sie, das weiß ich eben nicht und darum ist es viel besser, so wie es jetzt ist. Ich kann weiter träumen. Und das ist schön."

Montag, 17. Januar 2011

Veränderungen

Warum fürchten wir uns vor Veränderungen, wo wir doch wissen, dass nichts im Leben sicher ist ausser der Veränderung.

Warum glauben wir, die Veränderung könne etwas zerbrechen, in uns oder in unserem Leben.

Gewohntes zu verlassen, es aufzugeben ist schwer. Doch wenn alles bleibt wie es ist, dann bleibt auch das, was wir nicht mehr wollen, wie es ist.

Veränderung ist kein Zerbrechen, sie ist ein Ausbrechen.
Ein Ausbruch aus dem was ist.

Veränderung ist kein Richtungswechsel.
Sie ist die Richtung selbst, in der sich das Leben bewegt.

Veränderung ist die Absicht des Lebens weiter zu gehen ...

Veränderung beinhaltet Möglichkeiten, die wir ohne sie versäumen würden.

Sonntag, 16. Januar 2011

Es macht Sinn ...

Wenn wir alles, was von jemand anderem kommt, bei ihm lassen, verstricken wir uns nicht mit ihm.
Verstrickung ist ohne Sinn, unsinnig.
Sie bringt uns nicht weiter, keinen Schritt zu uns selbst.
Sie bringt uns von uns weg, weil wir uns um das andere kümmern und dafür eine Menge Energie aufwenden.

Es macht Sinn, diese Energie zu verwenden um mit uns selbst ins Reine zu kommen.
Es ist sinnvoll die anderen zu lassen, sie denken zu lassen, was sie wollen.
Es macht Sinn, zu erkennen, was das unsere ist und zu dem Unsrigen zu kommen.

Es macht Sinn den Weg zu sich selbst zu gehen um an dem Punkt anzukommen an dem diese Sehnsucht nach den Du aufhört, vergessen ist. Wer bei sich selbst ist braucht den Spiegel, die Projektionsfläche des anderen nicht mehr.

Und das bedeutet nicht, das wir dann glücklich und einsam durch das Leben gehen.
Es bedeutet, dass wir dann wirklich beim anderen sein können.

Mittwoch, 12. Januar 2011

Sehn süchtig ...

Die Sehnsucht ist Antrieb und Falle zugleich.
Verhangen in der Sehnsucht treibt die Gefühlswelt Blüten, deren Ranken den Verstand überdecken und das ersehnte Unmögliche inmitten des nüchternen Daseins erschaffen.
Täuschung ist möglich.

Bilder die sich in Projektionsflächen des Ersehnten im Kopf formieren überschreiten die Grenzen des Aussen und formieren sich zu Übermächtigem.
Kippgefahr.

Vorsicht zurückgedrängt, Nachsicht sich selbst gegeben, Umsicht negiert oder vergessen.
Fallen ist möglich.

Die Sehnsucht hat Flügel, die sich an ihrem Feuer leicht verbrennen.

Ins Übermaß getrieben treibt sie den Sehnsüchtigen von sich selbst fort, in Richtungen, die im Verborgenen liegen.



Sehnsüchtige Suche lenkt den Blick in den Tunnel an dessen Ende das Licht des eigenen Spiegels blendet.
Auch das.

Ein jeder Spiegel zeigt das Selbst.
Schauend verbleibt es.

Sehnsüchtig unerlöst.
Auf sich selbst zurückgeworfen.

Licht und Schatten

Das Leben teilt sich in Schatten und Licht.
Und wir sind von beidem im Innen und im Außen berührt.
Es sind jene Schatten, die wir nicht integrieren, die uns das Übermaß an Dunkelheit spüren lassen.

Angelika Wende, Das Buch der eigenen Gedanken

Dienstag, 11. Januar 2011

Mein Profil wird aktualisiert ...

"In den nächsten Tagen wird dein Profil aktualisiert. Mit dem neuen Profil hast du mehr Möglichkeiten, um deine Geschichte zu erzählen und darzustellen."Dieser Satz sprang mir in die noch müden Augen, als ich mich heute morgen in mein Social Network einloggte. Dass es in meinem Network ein neues, grafisch abgewandeltes Profil gibt, habe ich natürlich längst mitbekommen, bin dem Ruf es zu aktualisieren jedoch nicht gefolgt, weil ich ein Gewohnheitstier bin. Ich habe ausserdem genug anderes zu tun, als jeden neuen Trend mitzumachen, ob in meinem Network oder sonstwo, und noch dazu gefällt mir das alte Profil schlicht und einfach besser als das neue. Will ich also nicht!


Tja, ich kann in diesem Fall wollen was ich will, das nutzt mir rein gar nichts, denn - siehe oben: Mein Profil wird in den nächsten Tagen automatisch aktualisiert. Jetzt bin ich baff und entscheidungsfähig bin ich auch nicht mehr. Die machen wieder mal, was sie wollen, die, die Macht haben und sei es auch nur die Social Network Macht. Ich muss mich fügen oder ich habe nur noch die Wahl mich abzumelden, weil mir das nicht passt, dass da über mich entschieden wird.


Ja, ich weiß, ruhig Brauner, reg dich nicht über jede Kleinigkeit auf, würde ein von mir geschätzter Mensch jetzt sagen. Und ich würde antworten: Ich rege mich gar nicht auf, ich sehe nur hin und in den Kleinigkeiten sehe ich Strukturen, die mich im Großen Ganzen auch stören. Zugegeben, er hat Recht, ich rege mich auf. Wenn ich mich mal nicht mehr aufrege bin ich tot. Und das will der von mir geschätzte Mensch sicher nicht und ich auch nicht. Wenn es dann soweit ist, werde ich mich vielleicht auch darüber aufregen, weil ich nämlich gern selbst entscheiden möchte, wann mein Abgang stattfindet und weil ich Angst vorm Totsein habe. Apropos Tod. Das ist etwas, was wirklich absolute Macht hat und die akzeptiere ich besser, denn dagegen kann ich nun wirklich nichts machen, ob ich mich aufrege oder nicht.


Also rege ich mich jetzt mal weiter über die Macht im Besonderen und im Allgemeinen auf, was mir auch nichts bringt, aber ich muss es loswerden und vielleicht liest das ja der Mächtige und macht sich ein paar Gedanken darüber, dass man auf einem freien Portal dem Menschen nichts aufs Auge drücken sollte, was er vielleicht nicht will und dass die Idee der Gleichmacherei in unserer Gesellschaft sich schon zu sehr ausbreitet, beängstigend in die falsche Richtung ausbreitet und meinem Gefühl nach, zu nichts Gutem führt. Es lebe das Individuum und die Freiheit der Entscheidung! Vom freien Willen spreche ich gar nicht, denn der ist, auch wenn wir ihn zu glauben haben, wie die Hirnforschung bewiesen hat, beschränkt, und vom Aussen noch beschränkter, und das ist mir einfach zu viel Beschränkung. Ach, was kann ich mich so schön aufregen!


Darum blogge ich das jetzt und wenn der Mächtige das liest, kann ja sein, das Mögliche ist möglich, dann macht er sich vielleicht ein paar Gedanken über Gleichmachereiansätze. Wenn sich Leute Gedanken machen ist das ja schon mal ein Ansatz, meine ich.


Was mich aber noch mehr aufregt ist, der Satz: "Mit dem neuen Profil hast du noch mehr Möglichkeiten deine Geschichte zu erzählen und darzustellen." Subtil, sehr die Botschaft. Ich habe noch mehr Möglichkeiten meine Geschichte zu erzählen und darstellen. "Möglichkeiten". Ja, Gottes Geschenk an uns sind Möglichkeiten, ist sogar mein Leitsatz im Leben. Aber, mal im Ernst - ob ich meine Geschichte erzählen und darstellen will, das entscheide ich, dazu brauche ich keinen Animateur. Moment mal! Warum will der das eigentlich? Der liest sie ja doch nicht, oder ist er auf der Suche nach Geschichtenerzählern? Ein Verleger ist er doch nicht, der Social Network Mächtige, oder habe ich was verpasst?


Transparenz fällt mir da spontan ein. Ich spinne das jetzt mal weiter. Wenn alle ihre Geschichten erzählen, dann wissen alle über alle Bescheid und dann wissen auch alle, von denen wir nicht wollen, dass sie unsere Geschichte kennen, Bescheid. Der Chef zum Beispiel oder der Kollege, der uns sowieso schon mobbt, oder die Konkurrenz, die wir als Freunde verlinkt haben und als Konkurrenz gar nicht wahrnehmen - man denkt ja nichts Schlechtes. Wenn die unsere Geschichte kennen und das sind ja nicht ausschließlich Erfolgsgeschichten, die wir alle so haben, na dann aber Holla, dann kann der, oder können die, sie gegen uns benutzen. Ist doch möglich.


Ist nur so ein Beispiel für Transparenz, passt aber wieder zum Thema Macht. Macht hat immer der, der die Wunden des Anderen kennt. Und ja, es gibt leider auch Menschen, die ihre Macht nicht konstruktiv einsetzen, sondern destruktiv. Da mache ich nicht mit.


Aber was mache ich jetzt? Ich rege mich wieder ab, und passe auf, was ich transparent mache und wie viel von meiner Geschichte ich erzähle. Und was das neue Profil angeht? Tja, ich will mich nicht abmelden, weil ich mein Social Network mag und akzeptiere die Ohnmacht.


Aber nicht, ohne mich aufgeregt zu haben!


P.S. Sollte mein Profil demnächst gelöscht werden ... ich war es nicht.










Sonntag, 9. Januar 2011

Anziehungskraft

Es gibt Leute die behaupten, dass wir in immer genau das anziehen, was wir denken, über uns selbst und über das Leben. Diese Leute schreiben sogar Bücher über das Thema. Diese Leute behaupten, dass wir, wenn wir genau hingucken, wie in einem Spiegel quasi, in dem, was wir da angezogen haben, uns selbst erkennen und wie wir ticken. So weit so gut.

Ist möglich. Denn, wenn alles Energie ist, ist es folgerichtig logisch, dass gleiche oder ähnliche Energien sich gegenseitig anziehen wie Magneten. Das würde also bedeuten: "Gleiches zieht Gleiches an". Perfekt. Demzufolge begegnet uns also immer genau das "passende" Gegenstück zu dem, was wir denken. Und alle treffen auf das, was für sie stimmig ist, oder unschöner ausgedrückt: sie treffen auf das, was sie verdient haben. Ist aber nicht so!

Wie alles im Leben ist es nicht so einfach auch wenn es schön wäre, wenn alles einfach wäre, ist es aber nicht, denn es gibt es niemals nur eine Wahrheit, auch wenn es immer noch genügend Leute gibt, die glauben das wäre so. Aber das ist eine andere Geschichte.

Also Anziehungskraft: Gerade was die gegenseitige Anziehungskraft von Männern und Frauen, angeht, fällt auf, wie oft wir den Falschen, oder die Falsche anziehen. Menschen, die genau das Gegenteil von dem sind, was unsere Gedankenwelt ausmacht, oder noch unangenehmer: Sie sind genau das, was wir nicht wollen, noch nie wollten, oder nie mehr wollen.

Hm, sieht aus, als scheint das mit der Theorie der Anziehung von Ähnlichem oder Gleichem nicht immer zu stimmem. Stimmt auch nicht, denn wir erleben ja bisweilen den Gegenteilsbeweis, manche von uns jedenfalls, und das in schon fast beunruhigender Regelmäßigkeit. Will sagen, wir ziehen genau das an, was wir tunlichst vermeiden wollen.

Woran könnte das wohl liegen, frage ich mich, nachdem mir just wieder mal Einer begegnet ist, der genauso das verkörpert, was ich absolut nicht will und nicht brauchen kann, weil ich das schon kenne und es mir noch nie gut getan hat. Wie kann ich also etwas anziehen was ich ablehne? Wie kann es sein, dass unerwünschte Wiederholungen scheinbar nicht ausrottbar sind? Noch nicht.

Na ja, zumindest erkenne ich das Unerwünschte mittlerweile ziemlich schnell, wenn es daher kommt, was mir früher nicht gelang, da bin ich nämlich auf Typen, die gar nicht zu mir passen reingefallen und hab erst mal nicht gemerkt, dass sich da ein Muster wiederholt, bis es so richtig schön weh getan hat. Das ist doch schon ein großer Fortschritt, finde ich.

Noch mal: Wenn wir etwas anziehen, dass mit unseren Gedanken zu tun hat, die eine Energie haben, dann dürfte man doch, das, was die Gedanken nicht mögen, nicht anziehen. Weil es ja dem, was wir denken nicht gleicht und wir demzufolge keine Resonanz haben dürften.

Genau das ist der Grund, warum ich nicht an die Allmacht der Gedanken glaube, sondern an die Macht der Gefühle. Denn das, was wir bewusst denken, oder denken wollen, kann etwas völlig anderes sein, als das, was wir fühlen. Wenn ich etwas fühle, hat das viel mehr Kraft und Energie, viel mehr Macht über mich, als wenn ich etwas denke. Nebenbei bemerkt, aus diesem Grund scheitert so manche Verhaltenstherapie, weil sie rein kognitiv ansetzt, also Gedanken und Handeln verändern will, aber nicht das Gefühl, und nach kurzer Zeit landet der Klient wieder im alten Muster.

Muster ist das Zauberwort. Glaubensmuster, Verhaltensmuster, Reaktionsmuster etc. Und die sind tief verankert im Limbischen System unseres Gehirns, das man auch als den Ort des Herzdenkens bezeichnet. Passend finde ich. Das Herz "denkt" nämlich auch, besser es fühlt und zwar mächtig, so mächtig, dass es mittlerweile die Bezeichnung "Broken Heart Syndrom" gibt, an das sogar die Schulmedizin glaubt. Ja, man kann an einem gebrochenen Herzen sterben.

Die Muster in unseren Herzdenken machen sich selbstständig, heißt sie machen genau das, was sie wollen, sind quasi ein Undercoverprogramm, das der Verstand nicht im Griff hat und nicht kontrolieren kann. Und genau das wirkt, wenn wir die Falschen anziehen. Das gilt übrigens auch für "falsche Umstände", die wir erleben.

Was wir auf Teufel komm raus nicht haben oder erleben wollen ziehen wir genau deshalb an, weil wir es nicht wollen. Denn alles was wir nicht wollen, wollen wir nicht, weil wir damit üble Erfahrungen gemacht haben und die prägen sich ein, im Herzdenken. Die hinterlassen da unschöne, aber sehr kraftvolle Bilder. Je mehr üble Erfahrungen ähnlicher Art wir davon verinnerlicht haben, desto mächtiger sind die Bilder, die sie poduzieren. Diese Bildergalerie erzeugt, wenn ich nun an Energie und Resonanz glaube, ein Energiefeld, das geradezu riesige magnetische Wellen aussendet. Ziemlich unhübsches Museum, was wir da in uns tragen und das zieht eben auch seine Besucher an, wie jedes Museum. Und zwar genau die, denen diese unschönen Bilder gefallen, genau die, die diese Bilder suchen, weil sie eine Resonanz dazu haben, sich in dieser (Gefühls)Kunst wiederfinden. Und schon haben wir sie in unserem Muesum, ob wir es wollen oder nicht.

P.S. Lösungsansatz: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt und day by day neue Inspirationen aufnehmen, die neue " schönere" Bilder malen, damit andere Besucher in unser Museum kommen.






Donnerstag, 6. Januar 2011

Dialog

Wir kommunizieren ständig, aber wir führen nicht immer einen wirklichen Dialog.
Vieles von dem, was wir für einen Dialog halten, ist etwas völlig anderes, nämlich ein Monologisieren. Und das ist eben kein echter Dialog. Es ist das Mitteilen dessen, was wir dem anderen sagen wollen. Die Betonung liegt auf: was wir sagen wollen. Entscheidend aber, damit ein Dialog wirklich stattfindet, ist das nicht. Während wir nämlich glauben, wir hätten etwas eindeutig klar gemacht, spricht der andere so, als hätte er die Botschaft nicht empfangen. Hat er auch nicht!

Ein wirklicher Dialog beruht auf der Übertragung von Information beider Seiten und dem Wunsch, dass diese Informationen vom Gegenüber auch verstanden werden.

Ein echter Dialog bedeutet zuhören, achtsam zuhören, sich einlassen auf den anderen, auf das, was er denkt und fühlt und sagen will. Dialogisieren bedeutet den Focus auf den anderen zu richten. Es bedeutet, dass wir versuchen das Gesagte unseres Gegenübers nicht in unser eigenes Bild von zu Welt setzen und das seine achten und respektieren. Es bedeutet, uns zu vergewissern, dass unsere Worte genau so ankommen, wie sie gemeint sind.

Ein echter Dialog entsteht, indem wir zulassen und uns öffnen. Er findet dann statt, wenn wir "empfangen", indem wir hören, sehen und fühlen, was der andere zu sagen hat, indem wir achtsam verfolgen was uns gegenüber geschieht und es aufnehmen, indem wir den anderen zu uns lassen. Ja, eigentlich entsteht er dann, wenn wir die gleiche Sprache sprechen.

Zugegeben ein schweres Unterfangen.


Mittwoch, 5. Januar 2011

Manchmal

Stimmungsschwankungen sind wie flüchtig wie die Tage, die vergehen.
Stimmungsschwankungen suchen wir uns manchmal aus und manchmal nicht.

Manchmal kommen sie aus uns selbst.
Manchmal von Außen.
Manchmal läuft es gut und wir lieben das Leben und sogar uns selbst für eine Weile.
Manchmal läuft alles irgendwie falsch oder wir glauben, dass es falsch läuft.
Manchmal ist es gut zu weinen und zu wissen - auch das geht vorbei.
Manchmal ist es ein Glück zu lachen, egal aus welchem Grund und wenn es über uns selbst ist oder das Leben, das macht was es will, ohne zu fragen, ob es darf.
Manchmal muss man sich entscheiden, ob man will oder nicht.
Manchmal ist es gut allein zu sein.
Manchmal braucht man einen Freund.
Manchmal weiß man einfach ... egal wie es kommt, man schafft es, weil man es will.
Manchmal verliert man den Glauben um ihn wieder neu zu finden.
Manchmal weiß man, dass Glauben nicht Wissen bedeutet.
Manchmal denkt man, dass alles keinen Sinn macht um ihn dann wieder zu suchen.

Stimmungsschwankungen hat man ...manchmal eben ...
Ein Mal versteht man dieses Manchmal und man weiß ... auch das bin ich, so wie ich manchmal bin.


Samstag, 1. Januar 2011

Dreihundertfünfundsechzig Tage

Die Party, ein zusammengewürfelter Haufen verschiedenster Menschen. Große, Kleine, Alte, Junge, Paare, Singles, Kinder, zusammengekommen an einem Ort, am Ufer des Rheins um das alte Jahr zu verabschieden und das Neue willkommen zu heißen. Und alle haben etwas mitgebracht. Dreißig oder mehr Menschen, ich habe sie nicht gezählt, kommen mit Schüsseln und Platten voll mit Essen und platzieren sie auf dem großen Tisch. Der Pfarrer, der auch unter uns ist, sagt, wir haben zu Essen, und dass alles andere nur Beiwerk ist, im Leben und ich weiß, es ist wahr.

Auf dem Küchenherd köchelt die beste Gulaschsuppe der Welt, wie in jedem Jahr am Silvesterabend. Hier ist es gut, das ist vertraut, das ist ein Ort der Freundschaft, die Jahre überdauert hat. Musik, Wein, Essen und Gespräche. Gespräche zwischen denen, die sich gut kennen, denen, die sich neu kennen lernen und denen, die sich lange nicht gesehen haben.

An diesem letzen Abend im Jahr bin ich nicht allein. Ich habe meinen Lieblingsmenschen an meiner Seite und bin glücklich und dankbar. Noch vier Stunden bis Mitternacht. Erwartung liegt in der Luft. Und da ist noch etwas anderes: Der Abschied von dreihundertfünfundsechzig Tagen Leben wabert im Raum, Abschiednehmen von der Zeit, die unwiderbringlich gelebt ist. Haken wir es ab, sagt Einer, den ich nicht kenne, zu mir. Ist vorbei, kannst Du eh nichts mehr ändern, vergiss es! Als ob er mir ansieht, wie gern ich manches ändern würde, wie groß mein kindlicher, trotziger, unsinniger Wunsch ist, es ändern zu können.

Im Nachhinein sind wir immer klüger. Wir hätten manches anders gemacht, wenn wir gewusst hätten. Die Wahrheit ist eine andere, mächtiger als der unsinnige Wunsch, der kindliche Trotz. Die Wahrheit ist, dass wir nicht anders konnten, dass wir damals genau so gehandelt hat, wie wir es in diesem Damals konnten, mit bestem Wissen und Gewissen und all den Zweifeln, die da auch waren. Ja, abhaken, denke ich und dass er Recht hat, der Mann, den ich nicht kenne. Vergessen? Vergessen geht nicht. Einsicht ist möglich. Lernen aus den Fehlern, die gemacht wurden, ohne sie machen zu wollen.

Aber waren es dann wirklich Fehler? Oder waren es Handlungen aus dem Moment heraus, in dem man ein anderer war. Eben nicht so klug wie jetzt, am letzten Abend der dreihundertfünfundsechzig Tage.

Um zwölf Uhr, zwischen Korkenknallen und Neujahrswünschen, blicke ich in das Gesicht meines Lieblingsmenschen. Er ist da und ich bin da und das Mädchen ist da, das ihn liebt und das er liebt. Am Ende dieser dreihundertfünfundsechzig Tage habe ich zwei Lieblingsmenschen und am Liebsten möchte ich beide unter eine Glasglocke stellen um sie vor der Welt da draussen zu beschützen, wie es der kleine Prinz mit seiner Rose gemacht hat und dann denke ich, das wolltest du doch schon immer, diese Glasglocke über das Wertvollste stellen, dass du hast und vielleicht war das auch ein Fehler, denn unter der Glasglocke atmet es sich schlecht. Es ist eng, sehr eng darunter.

Und dann hake ich ihn ab, diesen Gedankenfehler und verspreche mir selbst, ihn nie mehr zu denken und Vertrauen zu üben, in das, was kommt. Meine beiden Lieblingsmenschen schießen eine Rakete für mich in den schwarzen Nachthimmel über dem Rheinufer, weil ich mich nicht traue sie selbst anzuzünden. Wünsch dir was, sagen sie, und ich schaue der Rakete nach, wie sie im Himmel explodiert und leuchtend goldene Sterne auf uns herunterfallen lässt, und ich wünsche mir in der neuen Nacht für die kommenden dreihundertfünfundsechzig Tage, dass ich es besser machen kann, dieses Mal.