Dienstag, 31. Mai 2011

wem geht es denn schon gut?

seit es den neuen supermarkt in meinem viertel gibt, arbeitet sie dort. der supermarkt, der damit wirbt, dass er von auszubildenden geführt wird. irgendwie seltsam dachte ich, von anfang an, die brüsten sich damit, dass sie mit lehrlingen arbeiten. na ja, ist klar, dachte ich, auszubildende kosten wenig und die sparen geld. auch eine möglichkeit, das was nicht richtig ist, als richtig zu verkaufen, das ist längst zeitgeist geworden. trotzdem fällt es mir auf, immer wieder.

irgendwie gucke ich meistens da hin wo die dinge nicht ideal und schön und spaßig sind und manche werfen mir vor ich habe einen tunnelblick ins dunkle des lebens. aber so ist es nicht. ich seh das schöne und ich liebe es. aber die schönen dinge muss man nicht verändern. die anderen schon. versuchen kann man es zumindest.

in dem supermarkt arbeiten vier auszubildene. zwei jungs und zwei mädchen. sie fiel mir schon am ersten tag auf. sie ist vielleicht sechzehn oder siebzehn, klein und schmal mit aschblonden langen haaren, die immer ein bisschen wie ungekämmt aussehen, so als habe sie verschlafen und keine zeit gehabt sich zurechtzumachen. unter den blaugrünen augen liegen tiefe schatten. immer hat sie irgendwo ein weißes pflaster kleben. an den händen, auf den unterarmen. einmal hatte sie sogar ein kleines pflaster über der rechten augenbraue. sie ist an der kasse, oder sie räumt regale ein, schiebt brötchenteig in den großen ofen neben dem eingang oder wischt den fußboden, weil wieder irgendetwas runter gefallen ist,. ab und zu sehe ich sie vor dem lieferanteneingang stehen. sie steht da, regungslos wie festgeklebt am boden, raucht eine zigarette und starrt mit leerem blick auf die strasse.

sie rührt mich. sie rührt mich so sehr, dass ich sie am liebsten in den arm nehmen möchte und sie halten würde, ganz lang und dann würde ich sie gern fragen: kann ich etwas für dich tun?

wenn sie an der kasse sitzt und stoisch die waren einscannt zeigt ihr mädchengesicht keine regung, so als sei es eingefroren, alles und besonders das lächeln. ich habe sie nie lächeln sehen und ich bin öfter in dem supermarkt, fast jeden zweiten tag, weil ich kein auto habe und meine lebensmittel kaufe, wie ich sie gerade brauche.

einmal, sie saß wieder an der kasse und die schatten unter ihren leeren augen waren noch dunkler als sonst, habe ich sie dann angesprochen: " geht es ihnen gut?", habe ich sie gefragt und sie angelächelt. und sie sah mich an und eigentlich sah sie durch mich hindurch.
dann sagte sie: "wem geht es denn schon gut?"