Samstag, 21. Mai 2016

Aus der Praxis – Lampenfieber ist nützlich, Redeangst ist eine schwere Belastung

Foto: AW

Wer es kennt weiß es: Lampenfieber gehört dazu. Auch nach unzähligen Reden, Auftritten und Vorträgen sind ein leichtes Grummeln in der Magengegend und ein erhöhter Herzschlag immer dabei, wenn es gilt vor Menschen zu sprechen. Lampenfieber ist normal und auch sogenannte „Rampensäue“ sind nicht frei davon. Die emotionale Anspannung, die wir beim Lampenfieber spüren ist nichts Ungutes, sie sorgt sogar dafür, dass unsere Rede oder unser Vortrag noch besser werden. Das Adrenalin steigt und mit ihm die Konzentration: wir sind zu Höchstleistungen fähig.
Anders ist es bei der Redeangst: Der Puls rast, das Herz klopft bis zum Hals, die Hände sind schweißnass, Stresshormone wie Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol überfluten den Körper, ein Gefühl der Panik macht sich breit. Redeangst kann einem im wahrsten Sinne des Wortes die Kehle zuschnüren und schon der bloße Gedanke vor Menschen sprechen zu müssen, erzeugt Panik, so dass es unmöglich erscheint, zu sprechen oder überhaupt vor eine Gruppe zu treten. Eine Horrorvorstellung für die Betroffenen. Das Reden vor Publikum kostet die meisten Menschen eine große Überwindung, aber für den von Redeangst Geplagten ist es eine seelische Qual.

Woher kommt diese Angst?
Man weiß heute, dass der Angst vor Publikum zu sprechen, die im kollektiven Gedächtnis gespeicherte Urangst des Menschen zugrunde liegt von der Gemeinschaft nicht anerkannt zu werden. Früher war unsere Stellung in der Gruppe überlebenswichtig. Ein aus der Gemeinschaft ausgestoßener Mensch war so gut wie verloren. Bei öffentlichen Reden, bei Begegnungen mit Fremden, bei Vorstellungsgesprächen, beim Meeting, bei der Kundenaquise oder beim Referat an der Schule oder an der Uni begleitet viele Menschen noch heute die unterschwellige Urangst, nicht gut anzukommen oder abgelehnt zu werden.

Die Redeangst, auch Logophobie genannt, zählt zu den sozialen Ängsten und beinhaltet im Kern die Angst vor Ablehnung.
Wer unter Redeangst leidet, hat meist auch Angst zu versagen. Die Befürchtung, bei den Zuhörern auf Zurückweisung und Ablehnung zu stoßen, führt bei manchen Menschen sogar zu regelrechten Panikattacken, so groß ist ihre Angst sich zu blamieren. Allein der Gedanke im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen und von anderen beobachtet zu werden genügt um bei ihnen massive Angstzustände auszulösen. Wie stark die Redeangst ausgeprägt ist, unterscheidet sich wie bei jeder anderen Angst, von Mensch zu Mensch. Und wie bei anderen Ängsten auch, ist es kein leichtes Unterfangen eine Redeangst von heute auf morgen zu überwinden. Sie ist tief verankert. In manchen Fällen wurde sie durch ungute Erfahrungen in der Kindheit erlernt und im emotionalen System bis ins Erwachsenenalter gespeichert.

Redeangst bezieht sich in der Regel immer auf diese Komponenten: das Selbstwertgefühl, das Selbstvertrauen, die Selbstbehauptungsfähigkeit, die soziale Kompetenz, die physische und die sprachliche Ausdrucksfähigkeit, die Kraft der Stimme und die Fähigkeit zur Kommunikation.
Wer sich selbst nicht vertraut, wer sich selbst nichts zutraut oder sich selbst als nicht gut genug findet, hat immer Angst nicht gut anzukommen. Ein mangelndes Selbstbewusstsein geht oft mit der Angst einher abgelehnt oder nicht geliebt zu werden. Das bedeutet: wir fürchten uns vor der Reaktion anderer auf uns selbst und das zeigt sich besonders massiv, wenn wir vor anderen sprechen sollen. Bleiben wir in dieser Angst stecken, lernen wir nicht uns selbst zu vertrauen. Und solange wir uns selbst nicht achten und uns selbst nicht vertrauen, zweifeln wir an unseren Fähigkeiten und machen weiter damit uns nicht selbst zu behaupten. Ein Teufelskreis, der so Manchem im wahrsten Sinne des Wortes die Sprache verschlägt. Dann beginnt im worst case das Vermeiden. Das aber hat unglücklicherweise die paradoxe Wirkung, dass die Angst zu reden umso unüberwindlicher erscheint, je mehr und je öfter sie vermieden wird.

Das hört sich alles schlimmer an als es ist. Meine Erfahrung in der Praxis zeigt: Keiner, der unter Redeangst leidet ist ihr für alle Zeiten hilflos ausgeliefert. Die Angst vorm Sprechen lässt sich überwinden.
Dazu ist es wichtig die Ursachen dieser Angst zu ergründen und sie zu bearbeiten. Es hilft wenig einem Menschen, der Redeangst hat, allein mit Stimm- und Sprechtraining Werkzeuge an die Hand zu geben um sich besser zu artikulieren und zu präsentieren. Die Angst ist nämlich lediglich ein Symptom für eine viel tiefer liegende Ursache. Erst wenn diese erkannt und bearbeitet ist, kann mit dem erfolgreichen Training von Stimme, sprachlichem Ausdruck und Präsentationstechnik begonnen werden. Ein gesundes Selbstwertgefühl und die Fähigkeit zur Selbstbehauptung sind essentiell wichtig um zu kommunizieren. Selbstbehauptung kann man lernen. Sie ist die Fähigkeit die eigenen Gefühle, Gedanken, Wahrnehmungen und Werte gegenüber anderen auszudrücken – und zwar ohne Angst und im Bewusstsein, dass das, was wir zu sagen haben wertvoll ist, so wertvoll wie wir selbst.


Mehr über mein Sprech-und Stimmtraining erfahrt Ihr hier ...
http://www.wende-praxis.de/5.html

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